Freitag, 1. August 2008

Akte X: Jenseits der Wahrheit (2008)

(Bilder: filmstarts.de)

Wer hätte das gedacht? 6 Jahre nach dem das (unterkühlte) Serienfinale dieser stilbildenden Kultserie über die Bildschirme flimmerte. Nach Jahren der Spekulationen, Falschmeldungen und Gerüchten einen neuen Kinofilm um das unsterbliche Duo Mulder & Scully betreffend.

Bis 2007 sollte es dauern, bis alle Skepsis zur Seite gefegt war und 20th Century Fox grünes Licht für The X-Files: I Want to Believe gab.

Und nun läuft der Film in den Kinos. Gestartet mit großen Erwartungen. Herbei gesehnt von unzähligen Fans, die dieser Serie immer noch nachtrauern. Womöglich, weil vermehrt Scheiße in der Glotze läuft. Gut, das war damals nicht wirklich anders als heute. Akte X jedenfalls, hat seinen Status als Kultserie nie verloren.

Und trotzdem will keine Sau diesen Film sehen!

Die Vorstellung, die wir gestern besuchten, war zu 1/4 voll. Der Flm läuft in der 2. Woche. Das ist kein gutes Zeichen. Auch bei den Amis ging der Film kläglich unter. Was wahrscheinlich auch an DARK KNIGHT liegen mag, dem Monster von einem Film, das gerade jegliche Rekorde sprengt (danke sehr Heath Ledger, Ruhe in Frieden).

Oder lag es an den teilweise sehr schlechten Kritiken?

Ich fange mal bei meiner Meinung zum Film an.

Große Erwartungen hatte ich keine. Gleich mal vorweg: Ich liebe Filme. Ich liebe so wohl seelenloses Blockbuster-Kino als auch pseudo-intellektuelles Arthouse-Kino. Vermittelt ein Film eine gewisse Emotion, eine Bildersprache oder eine gelungene Kombination aus Bild und Ton, finde ich das betreffende Produkt gelungen. Film ist Fantasie, Film ist trotzdem in der Realität verankert. Film ist Parabel oder einfach nur hübsche Illusion einer Welt, die nicht wirklich existiert.

Es spielt für mich keine Rolle, ob Nicole Kidman in einem ihrer Filme eine falsche Nase trägt (The Hours) oder Liam Neeson einen riesigen Penis hat (Kinsey) oder Will Smith jedem erzählt er spiele eine Charakterrolle, weil er gerade einen versoffenen Superhelden darstellt (Hancock).

Es zählt das was rüber kommt.

The X-Files: I Want to Believe, erzählt die Geschichte zweier gebrochener Menschen, die sich für die Wahrheit (aus ihrer Perspektive) den Arsch aufgerissen haben, nur um von ihrer Umwelt verspottet zu werden. Und durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse große Narben in ihren Seelen davon trugen.

Mulder und Scully verstecken sich vor der Welt, die sie im Laufe der Serie erleben mussten. Sie praktiziert in einem katholischen Krankenhaus als erfolgreiche, aber wie es im Film vermittelt wird, umstrittene Ärztin.

Er versteckt sich in einem abgelegenen Haus und verfolgt jede unerklärbare Geschichte, die auf der Welt passiert, schneidet sich den betreffenden Zeitungsartikel aus und klebt ihn an seine Trockenbauwand. Und hat nicht mal Bock, sich zu rasieren, wie sein wirklich häßlicher Vollbart verrät.

Mulder und Scully glauben an sehr unterschiedliche Dinge. Scully will heilen. Will die Welt verbessern. Will die Vergangenheit hinter sich lassen. Will die verstaubten X-Akten vergessen, die ihrer Karriere als Ärztin und seriöse Wissenschaftlerin wahrscheinlich nicht sehr zuträglich waren. Und sie liebt Mulder. Trotz seiner Macken. Trotz allem, was sie auch durch seine Handlungen im Laufe der Jahre ertragen und erdulden musste.

Mulder glaubt nach wie vor an das Paranormale, an das Übernatürliche. Mulder sieht hinter vielen Dingen mehr als das Auge und der Geist eines normalen angepassten Menschen zu sehen vermag. Er ist auf der Jagd. Nach Erklärungen, dort wo es keine gibt. Mulder hat nicht vor, diesem Glauben abzuschwören.

Zu dem Zeitpunkt, als der Film beide Charaktere aufgreift und die Geschichte um den hellsichtigen Vater Joe und die unheimlichen Entführungen junger Frauen von einer unbekannten Macht Mulder und Scully in ihren Bann zieht, sind beide müde vom Leben. Sie sind älter geworden, woraus der Film auch keinen Hehl macht.

Scully ist bereit, diesen neuen Fall zu ignorieren, ihrer Beziehung zu Willen. Mulder jedoch sieht die Chance darin, noch einmal allen zu beweisen, das er immer recht hatte. Das er es noch drauf hat und von seinen arroganten FBI-Kollegen nicht länger belächelt werden will. Er will nicht mehr als Spinner und Freak betrachtet werden

Er will Absolution, auch wenn er diesen Wunsch natürlich nicht ausspricht. Und verrennt sich einmal mehr in Wünschen und Träumen. Illusionen und Hoffnungen, die nur er versteht.

Seine Sturheit kostet ihn beinahe sein Leben. Und Scully.

Während Mulder Spuren im Schnee hinterher jagt, hat Scully ganz andere Probleme. Einer ihrer Patienten, ein kleiner Junge, leidet an einer so schweren Krankheit, dass er nicht so ohne weiteres behandelt werden kann und er bald sterben wird.

Ihre Kollegen drängen sie, den Jungen in ein entsprechend ausgestattes Krankenhaus zu überweisen, damit er wengistens dort halbwegs behandelt werden kann. Natürlich wird auch das seinen Zustand nicht wirklich verbessern.

Scully sieht in dem Jungen nicht nur einen Patient. Er bedeutet viel für sie. Er errinnert sie daran, dass Mulder und sie mal einen Sohn hatten, den sie unter dramatischen Umständen weggeben musste. Der Film macht das an einer Stelle sehr deutlich. Sie leidet. Sie will eine Mutter sein. Sie will den Jungen beschützen, koste es was es wolle. Ein junges Leben gibt sie nicht mehr ohne Kampf her. Nie wieder.

Mulder hat dafür keine Ohren. Er ist mit sich und seinem Fall beschäftigt. Seinen Glauben an nicht fassbare Dinge.

Während Scully in Konflikt mit IHREM Glauben gerät, denn eine herkömmliche Behandlung kommt bei dem Jungen nicht in Frage. Es geht an seine DNA, sprichtwörtlich. Die Behandlung könnte helfen, ist auf jeden Fall sehr schmerzhaft für das Kind. Und KÖNNTE helfen. Ist es diesen Schritt wert? Zu versuchen zu heilen, wo es höchstwahrscheinlich keine Heilung mehr gibt? Warum gönnt sie ihm nicht einfach Frieden?

Frieden. Scully hat es satt, Monster zu jagen. Sie braucht das Licht, nicht die Dunkelheit.

Scully verkörpert Licht und Hoffnung. Mulder die Dunkelheit. Er ist ein Gefangener seiner Vergangenheit. Und nicht bereit diese hinter sich zu lassen. Und trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, schöpft er im Schwarzen Lebensmut.

So wie Vater Joe. Ein Pädophiler, der durch seinen Glaube an Gott und seine Hellsichtigkeit Mut zur Vergebung schöpft. Er will dadurch Gutes schaffen und hilft dem FBI, die entführten Frauen zu finden, tot oder lebendig, scheiß egal.

Janke Dacyshyn, der Hauptbösewicht der Geschichte, will durch seine abscheulichen Taten nichts anderes, als seinen geliebten Freund retten, dessen Körper vom Krebs zerfressen ist. Er will ihn "neu bauen" durch gesunde Körperteile gesunder Menschen. Auch er glaubt, gebrochene Seele hin oder her, an ein Ziel. Leben.

"Geben Sie nicht auf!" sagt Vater Joe an einem Punkt der Geschichte zu Scully, als sie ihn in einer sehr intensiven Szene konfrontiert und zwei Glaubensansichten aufeinanderprallen.

Er spricht Wahrheit. Und sie weiß, trotz Vorurteile (er ist schließlich pädophil), dass er in ihr Herz blickt. Sie soll glauben. An Gott, an sich selbst und besonders an Mulder, trotz seiner Verhängnisvollen Liebe an die Dunkelheit dieser Welt und seine eigenen Dämonen.

Scully wählt den richtigen Weg. Mulder verliert beinahe sein Leben.

Scully glaubt und gibt der Welt sowie Mulder eine 2. Chance. I Want To Believe. Sie tut es. Auch wenn nichts sicher ist. Risiko ist nun mal Teil unserer Existenz.

Ein wundervoller Film! Tiefgründig, gefühlvoll und subtil. Sehr atmosphärisch. Er errinnert an die besten Monster-of-the-Week-Episoden der Serie.

Auf der anderen Seite ist er sehr unspektakulär. So einen Film zu vermarkten ist sicherlich schwierig. Das erklärt wohl auch die miserable Marketingstrategie von 20th Century Fox. Viel Hoffnung haben die Schlippsträger in dieses Werk mit Sicherheit nicht gesetzt. Das erklärt auch folgenden Ausspruch aus der Marketingabteilung der FOX, als es hieß, die (echt miesen) Einspielergebnisse an den Kinokassen entsprechen in etwa den Erwartungen.

Der Film hatte ein für heutige Verhältnisse recht kleines Budget (30 Mio Dollar). Er wird sein Geld sicherlich einspielen und Gewinn abwerfen. Akte X taugt, mit Abstrichen, durchaus noch als Geldmaschine. Die glorreichen Zeiten sind, finanziell betrachtet, natürlich vorbei, was auch einen 3. Film verhindern wird.

Spektakel ist es, was heutzutage die Massen ins Kino lockt. Dieser Film bietet das zwar nicht, dafür aber eine schöne intelligente Geschichte, die auch Nicht-Fans verstehen, sowie eine stilvolle Umsetzung. Aber ein Film über den Glaube? Zuviel verlangt.

Gillian Anderson spielt großartig, David Duchovny ebenfalls, auch wenn die Wichtigkeit seiner Rolle gegen ihre verblasst. Kameraführung ist exzellent, wie schon zu Zeiten der Serie. Schnitt und Musik sind sehr subtil, aber gerade deshalb äußerst wirkungsvoll.

Ich bin in der Minderheit, vergebe aber 10/10 Punkten.

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