Sonntag, 5. Oktober 2008

Der Baader Meinhof Komplex (2008)

(bildquelle: filmstarts.de)
"Auf Worte müssen Taten folgen."

So in etwa heißt es an einer kritischen Stelle der neuesten Bernd Eichinger Produktion.

Die Hochzeit der RAF, gern auch als "Der Deutsche Herbst" bezeichnet, ist wohl nicht gerade eines der ruhmreichsten Kapitel der deutschen Geschichte. Besonders die 70er Jahre gingen als Zeitalter des Terrors in hiesige Geschichtsbücher ein. Und Schuld daran waren ein paar Revoluzzer, die mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit aller Macht die Gesellschaft verändern wollten. Koste es was es wolle.

Der Staat sollte sozialer werden. Die Arbeiterklasse sollte in den Vordergrund rücken. Die fetten Bonzen sollten alle verrecken. Ob durch die Rache der Arbeiterschaft, oder durch ein paar Kugeln aus Brigitte Mohnhaupts MG, sei dahin gestellt.

"Der Polizist, das Schwein!"

1968, die Zeit der Studentenunruhen. Ulrike Meinhof, erfolgreiche SPIEGEL-Kolumnistin, verfasst einen offenen Brief an die Frau des persischen Schah. Sie prangert darin deren aufwendigen Lebensstil an, während das persische Volk verhungert und Regimegegner gefoltert werden.

Eine Demo gegen den Schah und seine Frau in Berlin. Bevölkerung und Studenten protestieren gegen oben genannte Doppelmoral. Ein Bus voller iranischer "Vorzeigestudenten" wird vor den Augen der Demonstranten ausgekippt. Sie beten "ihren" Schah an. Lassen ihn hochjubeln.

Chaos bricht aus. Die Iraner gehen auf die Gegendemonstranten los. Verkloppen sie auf brutalste Weise.

Die Polizei greift nicht ein.

Die Demonstranten wehren sich. Im Nu rücken Hundertschaften von Polizisten an und verkloppen die sich wehrenden Demonstranten. Der Student Benno Ohnesorg wird von Polizisten erschossen.

Rudi Dutschke hält seine berühmte Rede gegen den Vietnamkrieg in einer Berliner Uni. Kurz darauf wird er von einem Neonazi-Bübchen angeschossen und so schwer verletzt, dass er bleibende Schäden davon trägt.

"Der Baader-Meinhof Komplex" zeigt diese Ereignisse in beeindruckenden und sehr brachialen Szenen. Die Gewalt ist roh und ungeschönt. Als Zuschauer ist man darin gefangen und klammert sich vor Schrecken an den Lehnen seines Kinosessels fest.

Und man ergreift Partei. Ohne mit der Wimper zu zucken.

Für die Opfer der eben gezeigten Staatsgewalt. Was denken die scheiss Bullen sich? Lassen Täter wallten, werden gar zu solchen, und malträtieren Unschuldige!

Was einem da präsentiert wird, diese Zeit der Revolte und des Umbruchs, ist heute gerade für jüngere Menschen schwer nachvollziehbar. Heutzutage geht man nicht mehr auf die Straße um sich Gehör zu verschaffen. Nein, man schreibt seine Wut in Internet-Bloggs nieder, in der Hoffnung, dass irgend jemand diese Gedanken liest und interpretiert. Oder man verprügelt Opas in der U-Bahn. Tja, oder man verschwendet keinen einzigen Gedanken an irgend etwas. Und Polizisten? Die verprügeln keinen mehr, die können sich in ihrer schußsicheren Weste eh kaum bewegen.

Übertreibe ich? Wahrscheinlich masslos. Oder?

Die Intellektuelle, Ulrike Meinhof, knüpft schon bald Kontakt zu Andreas Baader und Gudrun Enslin, sowie deren Bande. Baader und Enslin wollen Änderung in der einschläfernden, von alten Nazi-Größen (könnte man denken) regierten BRD. Sie haben den Vietnamkrieg satt und Kapitalismus ist eh die größte Sauerei auf Erden. Und die Isrealis sind "Schwanzlutscher" weil sie Palästina besetzen!

Und die Bande plant. Still und heimlich. Größere Sachen.

Sie wollen eine Revolution auslösen. Sie lassen sich im mittleren Osten zu Kämpfern ausbilden. Im Jahr 2008 nennt man sowas "Terror-Camps."

Die Bande verübt aus Protest Brandstiftung. Gegen den Kapitalismus.

Sie begeht Banküberfälle. Um Mittel auf zu bauen, für ihren Kampf. Gegen den Kapitalismus.

Bald zünden sie Bomben. Gegen die Amerikaner. Aus ihrer Sicht die Auslöser. Die Wurzel alles Bösen.

Und mehr und mehr gehen unschuldige Menschen drauf. "Collateral-Schäden" nennt man das im 21. Jahrhundert (danke Osama).

Die Gruppe der Aufständischen wird größer. Die Gruppe zersplittert. Die großen Taten werden dilletantischer, weil von kaltem Hass geprägt.

Baader wird verhaftet. Baader, obwohl noch am Leben, hat bald den Ruf eines Märtyrers. Er ist der unumstrittene Anführer. Das Alpha-Männchen, das es zu befreien gilt. Und für Befreiung in den Köpfen der Gruppe sorgt.

Ulrike Meinhof, Meisterin der Worte, steht während der Befreiung Baaders aus seiner Haft, an der Kreuzung zwischen Wort und Tat. Sie wählt die Tat und damit die Illegalität. Ihren Worten folgen Handlungen. Und Konsequenzen. Denn die RAF der 1. Generation wird verhaftet.

Scheinbar haben jene, die Worten Taten folgen ließen, die Kontrolle über ihr Handeln verloren. Doch ihr Geist ist nicht gebrochen. Gegen das System handeln sie sowohl in der Gefängniszelle als auch vor der Obrigkeit. Selbst hier sind Taten mehr wert als trockene Worte. Hungerstreik ist angesagt. Opfer in den eigenen Reihen werden gebracht.

Und Blutzoll ist angesagt. Denn die, welche nach den "Schöpfern" (Meinhof, Baader, Enslin etc) kamen, fackeln nicht lange. Sie schießen ihre Ansichten in die Köpfe derer, die sie hassen. Sie wüten und hoffen auf das, was niemals kommen wird: Das Ziel.

Das Ziel verpufft schon bald. So wie ein Furz unter der Bettdecke, mal blumig ausgedrückt.

Baader, Enslin, Meinhof und die anderen entziehen sich ihrer Verantwortung gegenüber den Vielen durch Selbstmord, als sie erkennen, was sie wirklich erreicht haben: Nichts.

Die Eine baumelt schon bald, mit der Schlinge um den Hals, von ihrer Gefängniszellendecke. Der Andere pustet sich das Hirn raus. Suizid ist niemals kreativ.

Und die, die übrig blieben in einem undefinierten Kampf gegen die Existenz der Vielen?

Sie blieben heulend und jammernd zurück. Nix erreicht, nix gekonnt. Nur Scheisse gebaut. Scheisse klebt und stinkt und ist unangenehm. Ob in der Hose oder im Hirn, was solls. Schlecht ist es und am Ende kuckt man es sich an und spült es herunter. Mit ein paar Spuren sicherlich, schaut man mal in den Geschichtsbüchern unter "Deutscher Herbst" nach.

"Hört auf sie so zu sehen, wie sie nicht waren."

Brigitte Mohnhaupt sagte dies angeblich, als die Kacke wirklich am Dampfen war und der Protest mit der Entführung der Lufthansamaschine und dem Mord an Markus Schley sein unrühnliches Ende fand.

Helden, die keine waren. Personen, die bis heute polarisieren. Eine ganze Generation voller Ideen, die auf dem Papier oder im Alkoholrausch gut aussahen, doch zum Schluss nur eine Blase aus heißer Luft waren.

"Der Baader Meinhof Komplex" polarisiert genauso wie ihre handelnden Personen. Andreas Baader, die anscheinend so coole Sau, wird als arroganter Wichser dargestellt. Moritz Bleibtreu orientiert sich genau daran und fällt beim Zuschauer von anfänglicher Sympathie in Unverständnis.

Gudrun Enslin, gespielt von der wirklich großartigen Johanna Wokalek, entpuppt sich als egoistische Zicke, die die Meinung anderer nicht gelten läßt.

Und die scheinbare "Heldin" des Filmes, Ulrike Meinhof, dargestellt von der absolut hervorragenden Martina Gedeck, verliert sich in den zweifelhaften Taten ihrer durchaus rühmlichen Worte. Martina Gedeck wird mit Sicherheit ein paar Preise für ihre Darstellung gewinnen. Sie spielt nuanciert. Auch sie hat die überlieferten Worte der Ulrike Meinhof in Taten umgesetzt. Wirklich großartig!

Auch Bruno Ganz, jedem bekannt als Adolf Hitler aus "Der Untergang", liefert ein sehr detailgetreues Portrait des BKA-Mannes Horst Herold ab.

Die Machart des Filmes orientiert sich an Dokudramen. Wirkt in jeder Hinsicht realistisch, sei es die Darstellung von Gewalt, oder auch nur die Rekonstruktion verschiedener Ereignisse der jeweiligen Epoche der deutschen Geschichte.

Großes Lob an Regisseur Uli Edel und Bernd Eichinger für sein halbwegs gut recherchiertes Drehbuch.

Dem Film gelingt der Spagat zwischen der Darstellung der Faszination einer Rebellion und den daraus resultierenden menschlichen, sowie gesellschaftlichen Abgründen. Der Film bleibt neutral und überläßt dem Zuschauer sein Urteil.

Veränderung in fest verankerten Systemen wurde seit jeher durch Gewalt erreicht. Sei es die französische Revolution oder die sogenannte Befreiung des irakischen Volkes. Ich bin der Meinung, selbst die Wende 1989 wäre nicht so friedlich verlaufen, wäre diese "Friedliche Rebellion des Volkes" nicht durch das "Pro-Wiedervereinigung"-Klima (ich meine Kohl, Gorbatschow, nicht die DDR-Regierung) in der damals herrschenden Politik absolut begünstigt gewesen. Ohne diese Tatsache wäre Blut geflossen.

Der Mensch mag ein Individuum sein. Er mag scheinbar eigenständig denken und handeln. Er hat Ideen und Ideale.

Doch kommt ein zweiter Mensch hinzu, verändern sich diese. Und ein dritter und vierter...

Verschiedene Interessen für die gleiche Sache müssen unter einen Hut gebracht werden. Verschiedene Meinungen prallen aufeinander. Das Ziel des Einen ist niemals das Ziel der Vielen. Ein Kompromiss entsteht. Und ein Kompromiss hat Nachteile für diesen und Vorteile für jenen.

Und keiner ist zufrieden.

"Der Baader Meinhof Komplex" - 10/10 Punkten.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

WALL-E (2008)

(bildquelle: filmstarts.de)
Ah, Animationsfilme sind so eine Sache. Heutzutage erscheinen die zuhauf in den örtlichen Kinos und in den meisten Fällen sind sie auch recht lukrativ, mal finanziell betrachtet.

Qualitativ überdauern die Wenigsten in den Gedächtnissen der Kinogänger. Von meinem Standpunkt aus betrachtet, erinnere ich mich nur noch an "Findet Nemo", "Shrek 1", "Die Rotkäppchen-Verschwörung", "Toy Story 1" (der Erste seiner Art) und natürlich "Ratatouille."

Ich bin kein großer Fan von "Ice Age" oder den anderen "Shrek"-Teilen. "Madagascar" war hübsch, aber, naja, belanglos. Bei anderen Animationsfilmen wie "Ab durch die Hecke" oder "Bee-Movie" habe ich mich schlicht geweigert, ins Kino zu gehen.

Was Live-Action Filme an Originalität missen lassen... tja, das trifft auf viele Animationsfilme auch zu.

Und da komme ich schon zu WALL-E. Dem neuesten Film aus der PIXAR-Schmiede. Dieses Studio bringt ja nun fast jährlich einen neuen Film raus. Diese Filme werden, dank des guten Rufes von PIXAR, meistens gleich als "Meisterwerke" gehandelt. Kritiker lieben PIXAR. Zuschauer anscheinend auch, da die Filme ordentlich Geld scheffeln.

Aber pro Jahr 1 Film? Hallo, das klingt nach Fließbandarbeit.

Vielleicht erstmal kurz was zum Inhalt:

Wall-E, ein kleiner Roboter, ist der Einzige überhaupt, der noch auf der Erde verweilt. Nach Überbevölkerung und zunehmender Umweltverschmutzung, haben die Menschen, irgendwann in ferner Zukunft, die Erde einfach verlassen. Wall-E verbringt seine Tage damit, den Dreck wegzuräumen. Er baut riesige Mülltürme. Wühlt hier und da rum und entdeckt ab und zu Relikte der Menschen, die er, sofern sie ihm interessant genug vorkommen, einsammelt und in seinem "Haus" lagert. So wird er immer menschlicher. Und sehnt sich nach einem Begleiter.
Und da kommt die "Sonde" Eve ins Spiel.

Mehr verrate ich nicht.

Der Film ist, technisch betrachtet, unglaublich gut umgesetzt. Die Animation wirkt fotorealistisch. Seien es Wall-E, oder Eve, oder riesige Müllberge - es sieht äußerst echt aus. Hut ab, liebe gestresste Animatoren!

Aber die Geschichte...

...ist ebenso wunderbar! :-)

Im Kern handelt sie von Menschlichkeit. Von Authentizität. Von Gefühlen. Von Herkunft und Bestimmung.

Vielleicht erscheint diese Tatsache etwas simpel. Aber ein guter Film muss nicht unbedingt eine komplexe Geschichte erzählen, um zu fesseln. Emotion und Umsetzung zählt. Und diese Fakten treffen auf Wall-E durchaus zu.

Der kleine Roboter wird dargestellt wie der nette, kumpelhafte Typ von nebenan, dem man einfach nicht böse sein kann, egal was für Mist er auch anstellt. Wall-E entpuppt sich als Träumer. Er sehnt sich nach einem Kumpel. Mit dem er abhängen oder einfach nur Spass haben kann. Aber bei dem er sich auch sicher ist, dass der eine dem anderen ein gewisses Grad an Loyalität entgegen bringt.

Eve, die hübsche Sonde, die im entfernten Sinn an einen iPod erinnert (da zwinkere ich mal dem Apple-Chef zu, der ja ein paar Anteile an PIXAR hält *zwinker*), erfüllt seine Träume. Wall-E ist nicht mehr allein. Und hat jemanden, um den er sich kümmern kann. Und seine Gefühle werden erwidert.

Ist doch egal, ob nun zwei Roboter im Mittelpunkt der Geschichte stehen, oder zwei Menschen. Die Figuren funktionieren durch ihre Umsetzung und die sehr menschlichen Verhaltensweisen. Es sind kleine Gesten oder Geräusche, die dies vermitteln. PIXAR könnte wahrscheinlich auch die Liebesgeschichte zweier Erasco-Bohnenbüchsen ebenso gekonnt in Szene setzen. Und das ist durchaus als Kompliment gemeint.

Zu jeder Zeit fiebern wir als Zuschauer mit den beiden Blechbüchsen während ihrer Abenteuer mit. Und sind emotional gerührt.

Die deftige Sozialkritik dieses Filmes gerät dabei fast ins Vergessen. Menschen werden in WALL-E als fette, auf Maschinen angewiesene und äußerst faule Wesen dargestellt.

Da trifft die Faust ins Auge, denn was wäre denn die menschliche Rasse denn ohne ihre geliebte und gleichzeitig verhasste Technologie. Mein Gott, die ganze Welt funktioniert heutzutage doch nur dank Computer. Das solcher Fortschritt irgendwann mal jeglichen Instinkt, der uns (noch) antreibt, auslöscht oder zumindest vermindert ist nicht so abwegig. Ich denke da an diverse Praktikanten, die ich erleben durfte, die nicht mal mehr ihren eigenen Namen fehlerfrei schreiben konnten. Weil sie nur noch dieses beschissene SMS-Kauderwelsch mit all seinen Abkürzungen etc. im Kopf hatten.

Es soll Leute gegeben haben, die einen Herzinfarkt erlitten, als ihr Auto kaputt ging.

Im Film sind die Maschinen, dank der Menschlichkeit die sie durch menschliche Relikte erlangten, eben die Retter der Menschheit.

Sehr ironisch.

WALL-E amüsiert, geht ins Herz und lädt vielleicht auch ein bisschen zum Nachdenken an.

Den Film sollte man gesehen haben.