Montag, 19. Juli 2010

ROBIN HOOD (USA/GB 2010)

(bild: (c) Universal Pictures International France)
Inhalt: Nach den Kreuzzügen kehrt Englands König Richard Löwenherz mit seiner verwahrlosten Armee plündernd in die Heimat zurück. Nach seinem Tod während eines Gefechts desertieren der Bogenschütze Robin Longstride sowie sein Freund Little John und zwei weitere Schützen aus der Armee und schlagen sich nach England durch.

Dort wird Prinz John rechtmäßig zum König gekrönt. Doch er besitzt nicht das Charisma des Volkshelden Löwenherz und somit sehen die Franzosen eine Möglichkeit, England zu unterwerfen. Der Verräter Sir Godfrey initiiert nun einen Bürgerkrieg, um das Königreich zu schwächen. Longstride kehrt unter der Identität des Sir Robert Loxley nach Nottingham ein. Zusammen mit Marion Loxley und ihrem Stiefvater Sir Walter Loxley versuchen sie, die Invasion Frankreichs zu verhindern ...
(quelle: imdb.de)

Wer kennt ihn nicht, Robin Hood, den edlen Dieb und seine treuen Mannen. Welche die Reichen berauben, um den Armen zu geben. Über diese Figur gibt es bereits ein paar Fernsehserien und Filme, darunter Klassiker wie die knallbunte Verfilmung aus den 1930er Jahren mit Errol Flynn in der Hauptrolle. Oder der König der Diebe als Kevin-Costner-Star-Vehikel aus den 90ern (Verkaufszahlenrekorde aufstellender Titelsong von Bryan Adams inklusive).

Die meisten dieser Werke unterscheiden sich naturgemäß voneinander, haben aber alle etwas gemeinsam: sie betrachten die Geschichte um Robin Hood aus der Perspektive eines gutgelaunten, romantischen Action-Adventures.

Die Herkunft der Legende von Robin Hood ist bekanntlich im späten Mittelalter zu finden. Einer Zeit, die, was die allgemeinen Lebensumstände angeht, kaum so romantisch, bunt und gutgelaunt gewesen sein mag, wie es frühere Verfilmungen gerne vermitteln.

So ein Gedanke wird auch Ridley Scott beschäftigt haben, als er sich auf das Vorhaben einließ, Robin Hood quasi "von unten" neu aufzubereiten. Der Story einen realistischeren Ansatz zu verpassen und sich von einer knallbunten Umsetzung und Präsentation dieser Idee zu verabschieden.

Scott ist ja berühmt für seine detaillierte, halbwegs authentische Darstellung unterschiedlicher Epochen der Welthistorie: sei es das alte Rom in "Gladiator", die Zeit der Kreuzzüge im Epos "Königreich der Himmel" oder die wilden 70er in "American Gangster".

Was den vorliegenden Film angeht wählten er und sein Team zunächst unterschiedliche Formen:

Arbeitstitel war ursprünglich "Nottingham". Russel Crowe stand bereits sehr früh als Hauptdarsteller fest. Geplant war u.a. Crowe in einer Doppelrolle als Robin Hood und als Sheriff von Nottingham auftreten zu lassen. Eine andere Idee war, Robin als Bösewicht und den Sheriff als guten, noblen Kerl darzustellen.

Als Lady Marion war die britische Schauspielerin Sienna Miller im Gespräch. Sowohl die Stories als auch Sienna Miller wurden schon bald fallen gelassen, die Produktion wurde verschoben, bis das produzierende Studio und Scott-Free eine Einigung erzielten.

Ridley Scotts "Robin Hood" ist nunmehr eine Herkunftsgeschichte. Wie wurde der Held zum Helden? Was bewegte ihn dazu, das zu tun, was er nun tut; was ihn, rückblickend betrachtet, zu dem machte, was er in den Augen vieler ist?

Russel blieb der Star, als holde Maid wurde kurzerhand die immer verlässliche Cate Blanchett gecastet.

So fand Scott die für ihn richtige Perspektive für seine düstere Mittelalterstory. Bevor sich Robin die Kapuze aufsetzte hörte er in dieser Version auf den Namen Robin Longstride. War Bogenschütze in der königlichen Armee und wurde erst nach seiner Flucht aus selbiger zum Outlaw, zum Kämpfer für Gerechtigkeit, Jäger und Gejagder zugleich.

Inszenatorisch setzt Ridley auf Realismus. Die Welt des Mittelalters wird hier als dreckig, stinkend und grausam dargestellt. Robin und seine Kumpels sind im Kampf nicht besser oder edler als ihre Gegner. Sie saufen gern und ficken auch mal die eine oder andere willige Magd oder dralle Dörflerin; je nach Geschmack. Lady Marion ist keine schmachtende, hilflose Jungfrau, sondern ein Weib, das mit beiden Beinen fest im Leben steht. Eine Frau, die für sich, ihren Schwiegervater, ihre Bediensteten und Dorfangehörigen sorgen und auch mal einer Missernte ins Auge blicken muss. Der amtierende König ist intrigant, ebenso die Königinmutter, Macht zählt hier und nichts anderes. Und Macht und Herrschaft stellt der junge König über jeden seiner untergebenen Engländer.

So dauert es auch ein Weilchen bis dieses Filmuniversum ordentlich eingeführt ist, und der geneigte Zuschauer durchblickt, wer auf welcher Seite steht und wo oben und unten ist. Das ist nichts für Actionfans oder Kinobesucher, die einen schnellen Kick suchen und sich von Gewalt und dummen Sprüchen berauschen lassen wollen. Die erste Stunde ist reine Exposition, angereichert durch die eine oder andere Actionsequenz. Die Charaktere zählen sowie die Umstände in denen sie leben.

Vermischt mit etwas Politik und Intrigen stellt der Film, meiner Meinung nach, eher eine Alltagsstudie des englischen Mittelalters dar, als einen Actionfilm, wie im (wie immer irreführenden) Trailer versprochen.

Erst in den letzten 20 Minuten erscheint Robin Hood. Als König der Diebe, als Held, als Rächer der Armen. Typisch, erwartungsgemäß der Filmlegende zufolge und doch anders. Reifer, gezeichnet von Umständen und Taten.

Mir hat dieser Film sehr gut gefallen. Er war anders, als ich es erwartet hatte. Was nach Sommer-Blockbuster roch, entpuppte sich schon beinahe als Coming-of-Age-Drama.

Es gelang mir, in diese Welt einzutauchen. Ich bekam die Möglichkeit, die Charaktere kennenzulernen und zu erfassen. Das ist bei Big-Budget-Produktionen Made in Hollywood heutzutage sehr wohl etwas seltenes.

Das Filmuniversum wurde glaubhaft inszeniert. Die Geschichte war interessant und spannend und macht Lust auf mehr. Sämtliche Darsteller konnten mich überzeugen. Die Produktionswerte waren, typisch Ridley Scott, sehr hochwertig.

Dennoch, einen Wermutstropfen gibt es auch hier. Stellenweise wirkte die Erzählung gehetzt, Szenen schienen zu fehlen. Aufgrund der Filmlänge wurde sicherlich hier und da etwas geschnitten, da das vertreibende Studio (ich gucke dich an Universal) die Kinogänger mal wieder für dümmer gehalten hat, als sie in Wahrheit sind. Bäh.

Aber es gibt ja demnächst den obligatorischen Directors-Cut bzw. die ominöse Extended-Edition.

Ich hoffe auf eine Fortsetzung. Und empfehle diesen Film unbedingt. :-)

9/10 Punkten.

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